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HOFFNUNG ALS HALTUNG – UND ALS TOR ZUR ADVENTSZEIT

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Vor genau 15 Jahren bin ich diesem Mädchen in einem tibetischen Kloster in Gyêgu (Yushu) in der chinesischen Provinz Qinghai begegnet. Sie konnte nicht gut gehen, hinkte mit einem Bein, das sie bei jedem Schritt hinter sich herzog.


Mir tat ihr Anblick weh, doch sie strahlte mich mit einem Lächeln an, das meine Pein in Demut und Würde umwandelte. Wie sie sich trotz ihrer Einschränkung freudvoll und anmutig, ja fast tänzerisch um die riesige Gebetsmühle aus Holz bewegte!


Oft schon habe ich feststellen dürfen, dass sich seelisches und körperliches Unbehagen durch einen einzigen Anblick der Freude zum Besseren ändern darf. Dem Himmel sei Dank, dass dem so ist, dass Licht immer wieder von Neuem imstande ist, einen Weg durch die Dunkelheit zu finden.


An dieses tibetische Mädchen habe ich wieder einmal gedacht, als ich vor kurzem auf das Gedicht «Das kleine Mädchen Hoffnung» von Charles Péguy gestossen bin. «Hoffnung», so schreibt der französische Dichter, «geht nicht von selbst. Hoffen zu können, das ist das Schwerste.» Péguy hat zweifellos Recht, denn Hoffnung ist eine Lebensphilosophie, die eine positive Erwartungshaltung voraussetzt. Und eine solche ist insbesondere in den jetzigen turbulenten Zeiten gefragter denn je: Zeiten, die bei vielen von uns Zweifel, Unsicherheiten und Ängste auslösen.


Ich habe mein Bild des tibetischen Mädchens in einem kürzlich von mir verfassten Beitrag über Tibet im «Jahr des Mitgefühls» abdrucken lassen. Vor 15 Jahren hegte ich die grosse Hoffnung, dass dieses Kind trotz ihres körperlichen Handicaps zu einer gesunden und glücklichen Frau heranwachsen würde. Ob es geschehen ist, weiss ich nicht. Aber ich bin mir sicher, dass meine Hoffnung sie ein Stück weit auf ihrem Lebensweg begleitet hat.


In diesem Sinne wünsche ich auch Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, in der soeben angebrochenen Adventszeit immer wieder Augenblicke des Vertrauens auf «das Mädchen Hoffnung»: Möge es Ihnen täglich eine Quelle für Kraft und Zuversicht schenken. Und vergessen Sie nicht, Hoffnung auch zu verschenken. Ihre Gabe wird nicht nur den Mitmenschen guttun.


Wer sich für meinen (eher politischen) Tibet-Beitrag interessiert, der kann eine Ausgabe von Tibetfocus unter folgendem Link bestellen: https://gstf.org/was-wir-tun/tibetfocus-magazin/

  

 
 
 

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